Cetinje erscheint mir wie eine kleine, verschlafene Kleinstadt mitten in den Bergen. Die Vermieterin sagt, meine Tür, die auf die Straße raus geht, kann ich ruhig offen lassen. Hier wird sowieso nichts geklaut.
Gestern habe ich gleich die ganze Packung Nudeln gekocht.
Deshalb gibt es zum Frühstück eine Eigenkreation: angebratene Spagetti mit Erdnussbutter und Banane. Kann man machen.
Der Sohn der Vermieterin empfiehlt mir, eine kleinere Straße durch den Lovćen Nationalpark zu nehmen. Für die 15 Kilometer bis zum Kamm, schätzt er, werde ich zwei Stunden brauchen (am Ende sind es 20 Kilometer und dreieinhalb Stunden).
Auf dem Weg kaufe ich an einem Straßenstand einen halben Liter Olivenöl. Auf dem Preisschild steht acht Euro, ich handle auf sechs runter und bekomme ihn für fünf und ein paar Zerquetschte. Der Verkäufer schaut enttäuscht. Sie haben mir sehr geholfen, sage ich, denn jetzt ist meine Küche wieder vollständig. Und zeige ihm meine linke Frontroller-Tasche, die immer bis oben hin mit Lebensmitteln voll ist. Da verwandelt er sich vom touristenmüden Verkäufer zur interessierten Privatperson, ich soll mit ihm einen Kaffee trinken. Doch es ist schon 14 Uhr und noch mehr als 40 Kilometer.
Über die wenig befahrene Straße huschen leuchtend grüne Eidechsen.
Wenn man sich gut auskennt, kann man hier sicher sehr gut Kräuter sammeln. Ich halte mich lieber an Altbekanntes, Salbei und Thymian, die beide kurz vor der Blüte stehen.
Mir kommt ein junger französischer Radreisender entgegen. Sein Freund, sagt er, ist weiter oben und hat einen Platten. Er braucht einen achter Schraubenschlüssel, den hab ich nicht, aber einen Engländer. Ich fahre hoch, der Freund freut sich sehr und setzt mit zitternden Händen (unterzuckert? aufgeregt?) den Universalschlüssel an. Doch der ist zu breit, um zwischen Ausfallende und eine unsinnige Verschlusskappe zu passen. Da hole ich den Feigen-Likör raus und schenke ihm einen fast vollen Plastikbecher ein. (Den Becher habe ich aus dem Appartement mitgehen lassen, leider nicht so umweltfreundlich, aber was solls.) Hatte hoffentlich später noch Spaß, der Junge.
Es ist schön hier zu fahren, nicht zu warm, nicht zu kalt und die Bäume spenden gut Schatten. Hübsche Restaurants an der Straße, ein Hochseilgarten.
Nur die Motorradfahrer*innen nerven, ihr Lärm zerstört alles ruhige, natürliche und schöne. Sie haben alle gesunde Beine. Warum fahren sie denn nicht mit dem Fahrrad?
Viele Menschen sagen zu mir, es wäre doch anstrengend mit dem Rad und ich sicher sehr mutig, stark und sportlich. Doch das stimmt so nicht. Es ist vor allem eine Frage der Einstellung zur Geschwindigkeit, zum eigenen Körper, zum Komfort, zu dem, was wirklich zählt. Und es ist schade, dass die meisten Menschen es scheinbar am schönsten finden, sich irgendwo rein oder drauf zu setzen, um dann möglichst schnell, laut und dreckig von A nach B zu rasen. Das Hauptproblem, denke ich, besteht darin, dass sie es nicht anders kennen und sie es sich deshalb nicht zutrauen.
Oben auf dem Kamm erwarten mich wieder Wolken, es sieht schön aus wie diese flach über den Boden schwebend nach oben ziehen.
Als ich aus den Wolken rauskomme, traumhafte Aussichtspunkte.
Immer wieder bleibe ich stehen, um Fotos von den Felswänden und der Bucht von Kotor zu machen.
Es ist so unglaublich steil und Leitplanken nur teilweise vorhanden, ich kämpfe mit Höhenangst.
In der Abendsonne die Serpentinen runter, ich kann mir kaum etwas Schöneres vorstellen.
Ich treffe eine russische Familie, die Frau so alt wie ich. Genauso wie viele vor ihr sagt sie, dass ich wie Mitte Zwanzig aussehen würde (ob das Koketterie oder was dran ist, weiß ich nicht). Zur Verabschiedung drückt sie mich und wünscht mir einen guten Ehemann und vier Kinder.
Beim Check-In im Hostel in Kotor weist man mich darauf hin, dass dies hier ein Party-Hostel ist, um neun gibt es Bier-Ping-Pong.
Ich gehe lieber mit dem letzten albanischen Sportzigarettchen an den Strand vor dem Hostel, alles schöne hat irgendwann ein Ende.
Ich bin sehr müde und weiß noch nicht, wie ich weiter fahre. Wenn ich mich sehr beeilen würde, könnte ich es noch bis morgen Abend nach Dubrovnik zur Fähre schaffen. Aber darauf habe ich überhaupt keine Lust.