Heute ist Sonntag und vor der Bergtour brauche ich noch etwas zu essen. Zum Glück hat die Bäckerei um die Ecke, das sehe ich bei Google Maps, 7/24 geöffnet. Dort verkaufen sie, abgesehen von ein paar Keksen, nur herzhafte Teilchen und Brot. Das Frühstück ist auch hier herzhaft, gegessen wird z.B. Бурек, also Börrek, was ich schon aus der Türkei kenne. Rante sagt später, das Frühstück sei herzhaft, weil es früher die Bauer*innen für längere Zeit satt machen sollte. Um 6 Uhr begann die Arbeit auf dem Feld, um ca. 14 Uhr gab es Mittagessen, danach Pause. Am Nachmittag und frühen Abend konnte dann Hausarbeit erledigt werden. Rante kennt diesen Tagesablauf noch aus seiner Kindheit und Jugend. Die Umstellung auf einen Arbeitstag, der von 9 bis 17 Uhr geht, erfolgte erst vor ca. 10 Jahren.
Heute regnet es. Trotzdem treffe ich mich um 10 Uhr mit Rante. Wir fahren mit dem Bus, der am Wochenende kostenfrei genutzt werden kann, den Berg hoch.
Der Vodno ist ein beliebtes Ausflugsziel nicht nur für Touristen, sondern auch für Stadtbewohner*innen. Zur Seilbahn führt nur eine schmale Straße. Diese war am Wochenende so sehr zugeparkt, dass der Bus nicht mehr durchkam. Es wurden Parkverbote ausgesprochen und Parkplätze mit hohen Gebühren geschaffen. Das sorgte für Unmut und der Bus wurde zur kostenfreien Nutzung freigegeben, ein Konzept, was funktioniert.
Die Natur, Luft und Aussicht hier oben ist traumhaft. Auf dem Berg steht ein großes Kreuz, das man auch vom Zentrum aus immer sieht.
Viele Blumen blühen, verschiedene Primelarten und auch Thymian, der kleinwüchsig ist.
Immer wieder stoßen wir auf eine Waldschneise, die hier geschlagen wurde um eine Gasleitung zu bauen.
Obwohl es gegen das Bauvorhaben viele Proteste gab, wird die Gasleitung nicht unten im Tal verlegt, sondern hier oben auf dem Berg. Man munkelt, dass das teurer und somit gewinnbringender für die Baufirmen ist. Die Baumaßnahmen sind auch der Grund, warum Rante mit mir hier hoch gegangen ist. Mit seinem GPS-Gerät zeichnet er die Strecke auf, die wir gehen und überlegt, wo er am Dienstag zwei Damen aus den USA entlang führen kann.
Wir gehen durch dichten Mischwald. In den 50er Jahren gab es einen Erdrutsch der bis ins Zentrum von Skopje reichte. In dessen Folge wurde der Berg wieder aufgeforstet.
Auch hier oben liegt natürlich viel Plastikmüll. So etwas wie selbstorganisierte Frühjahrsputze, wie sie seit ein paar Jahren in Leipzig stattfinden, gibt es (noch) nicht. Ganz am Ende unserer Wanderung sammeln wir ein kleines bisschen was von diesem ganzen Müll ein und nehmen es mit runter ins nächste Dorf.
Die Kühe, die die Führungsposition in der Gruppe übernehmen, haben eine Glocke um die Hals. Damit können sich die Kühe orientieren und die Gruppe wird zusammengehalten. Teilweise gehen die Kühe früh allein mit einem Wachhund auf die Weide und kehren am Abend selbstständig ins Tal und den Stall zurück.
Wir besuchen die Kirche St. Panteleimon, die für ihre Fresken bekannt ist.
Es ist schon beeindruckend, lange Zeit vor der Renaissance in Italien, wurden hier im 12. Jahrhundert Heilige realitätsnah und mit Emotionen im Gesicht dargestellt.
Auf dem Weg zurück ins Tal überlegen wir, wie man in Nordmazedonien eine Radfahrschule für Erwachsene etablieren könnte und träumen von der Organisation von Gruppenradtouren.
In der Stadt zeigt mir Rante noch, wo das Social Bicycle Centre ist, in dem ich am Dienstag ein paar Kleinigkeiten am Rad erledigen kann und am Donnerstag eine Präsentation halten werde.
Um die Ecke befindet auch ein Bio- und Unverpacktladen, den ich die Tage auch gleich noch besuchen und nutzen kann.
Heute finden in Nordmazedonien Präsidentschaftswahlen statt, bereits zum zweiten Mal, weil die Wahlbeteiligung beim ersten Mal zu gering war. Rante hat auch dieses Mal entschieden, nicht wählen zu gehen. Es gäbe ja sowieso nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Im Zentrum gehen wir in ein Restaurant, das Pasta anbietet, weil ich nach über einem Monat ohne Nudeln, unglaublich Appetit darauf habe. In einem kleinen Laden holen wir uns als Dessert etwas, das den französischen Macarons sehr ähnlich ist.
Eigentlich wollte ich die beiden verbleibenden Reisetage meines Interrail-Tickets noch nutzen, aber der Hellas Express-Nachtzug nach Belgrad fährt nur in den Sommermonaten. Nicht so schlimm, heute hatte ich einen großartigen Wandertag (immerhin 17 km) und in den nächsten Tagen kann ich mich hier ganz in Ruhe sortieren.